Bonn
Bonns Potenzial muss neu entfesselt werden
Bonn ist die Stadt am Rhein mit einem ganz besonderen Charakter und einer einzigartigen historischen Geschichte. Bonn hat so viel Potenzial, doch wir denken unsere Stadt oft zu klein und blicken immer nur zurück auf die Zeit, als Bonn noch Hauptstadt war. Wir sollten aber auch in die Zukunft blicken und Bonn nicht nur als ehemalige Hauptstadt oder als Universitätsstadt sehen, sondern als ein pulsierendes Zentrum der Wissenschaft, Kultur und Politik – ein Ort, der international strahlt und gleichzeitig seinen Bürgerinnen und Bürgern ein Zuhause bietet.
Als Arzt und Wissenschaftler habe ich jeden Tag einen praktischen Einblick in das riesige Potenzial unserer Stadt und den enormen Gestaltungswillen der Bonner Stadtgesellschaft. Ich habe aber das Gefühl, oft fehlt der Wille, um mit mutigen Schritten voranzugehen und Probleme mit einem realistischen Blick zu lösen. Nehmen wir als Beispiel nur die vielen schleppend laufenden Bauprojekte in Bonn, egal ob Stadthalle, Bonner Oper, Landesbehördenhaus, Schwimmbäder oder die Godesberger Stadthalle – alle symbolisieren den Stillstand für eine positive Stadtentwicklung. Zusätzlich braucht Bonn bis 2030 etwa 30.000 Wohnungen und 11.400 Wohnungen, die barrierefrei sind. Wie soll Bonn die lebendige Stadt am Rhein bleiben, wenn zentrale Probleme seit Jahren nicht gelöst werden und damit das Potential dieser Stadt ungenutzt bleibt? Bonn kann mehr als nur die ehemalige Hauptstadt sein, dafür muss das riesige Potenzial nur genutzt und wieder neu entfesselt werden.
Als internationale Stadt braucht Bonn eine funktionierende Infrastruktur
Das Bundeskanzleramt gibt die Aufgabe des Palais Schaumburg bekannt, als wäre es eine Randnotiz. Das Gebäude wird im Rohbauzustand der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) übergeben, die scheinbar ebenso ratlos vor der Entscheidung steht, was nun aus diesem historischen Bauwerk werden soll, wie auch die Bundestagsabgeordneten der SPD und Grünen, die scheinbar ebenfalls nur aus der Zeitung davon erfahren haben. Von Adenauer bis Schmidt – fünf Kanzler haben hier residiert. Das Palais Schaumburg ist ein zentraler Ort unserer Demokratie und ein Symbol für die deutsche Nachkriegsgeschichte. Während für fast 800 Millionen Euro der Anbau des Kanzleramts in Berlin geplant ist, wird der ehemalige Regierungssitz und die Wiege der deutschen Demokratie mit einem Federstrich aufgegeben.
Diese Entscheidung ist symptomatisch dafür, was in Bonn gerade schief läuft. Bonn hat zur Zeit keine Freunde in Berlin. Dieser Eindruck verstärkt sich auch mit Blick auf den Gesamtzustand der Bonner Infrastruktur. In vielen Gesprächen über die aktuellen Herausforderungen für Bonn stelle ich immer wieder fest, dass die unzureichende Infrastruktur in allen Bereichen eines der Hauptprobleme für eine positive Stadtentwicklung darstellt. Ohne eine funktionierende Infrastruktur wird die Wirtschaft nicht florieren und Unternehmen werden sich nicht in Bonn ansiedeln. Dieses Problem manifestiert sich in verschiedenen Aspekten des städtischen Lebens und behindern mittlerweile deutlich den Fortschritt unserer Bundesstadt.
Busse und Bahnen sind oft unpünktlich, überfüllt oder fallen aus, was keine zuverlässige Alternative zum Auto darstellt. Ideologische Verkehrsplanungen führen zu Staus und schrecken Menschen aus dem Umland ab. Zugausfälle und Verspätungen im Fernverkehr sind die Norm. Regionalzüge müssen oft auf ICE-Züge warten oder die Fernanbindung an Bonn wird gleich ganz aus dem Reiseplan gestrichen. Parallele Baustellen auf den Autobahnen, Bahnnetzen und der Adenauerallee führen zum Verkehrschaos in der Stadt. Hinzukommt der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die Mietpreise steigen stetig und vorhandene Wohnungen wie zum Beispiel in den HICOG-Siedlungen in Tannbusch, Plittersdorf und Pennenfeld/Muffendorf werden durch die BImA nicht saniert.
Bonn ist eine internationale Wissenschafts- und Kulturstadt sowie ein wirtschaftliches Zentrum der Region. Wir brauchen dringend auf kommunaler, landes- und bundespolitischer Ebene Antworten, wie wir Bonns Infrastruktur stärken können. Bonn braucht wieder mehr Pragmatismus statt leerer Phrasen und schöner Ideen, die am Ende nicht umgesetzt werden können.
Zusatzvereinbarung zum Bonn/Berlin-Gesetz
Im Rahmen weiterer Verhandlungen zum Bonn/Berlin-Gesetz haben der Bund, die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz und die Region Bundesstadt Bonn weitere Eckpunkte mit einer Zusatzvereinbarung beschlossen. Diese Entwicklung ist zu begrüßen und die einzelnen Eckpunkte versprechen eine Stärkung unserer Bundesstadt als nationalen und internationalen Standort. Nun sind aber konkrete Maßnahmen gefordert und die Zielvorgaben müssen auch wirklich umgesetzt werden. Ich sehe mit der neuen Zusatzvereinbarung ein großes Potenzial, welches aber auch von Bonner Seite konsequent eingefordert werden muss. Berlin wird uns freiwillig nichts schenken und von daher ist es unerlässlich, sich in Berlin für Bonn mit Nachdruck und einer straken Stimme einzusetzen.
Bei den zukünftigen Verhandlungen zur weiteren Ausgestaltung des Bonn/Berlin-Gesetzes ist es von entscheidender Bedeutung, dass Ministerien und Arbeitsplätze dauerhaft in Bonn angesiedelt bleiben. Dabei muss eine gerechte Verteilung zwischen Bonn und Berlin gleichermaßen gesichert sein. Das ist ein wesentlicher Standortfaktor für die Zukunft Bonns und der ganzen Region. Künftig muss insbesondere in Berlin verstärkt darauf geachtet werden, dass die im Gesetz festgelegte Verteilung der Arbeitsplätze konsequent eingehalten wird.