Wissenschaftpolitik

Politik und Wissenschaft – Lehren aus dem Expertenrat für die Zukunft

Aus der Erfahrung dieses Expertenrates gilt es für künftige Formate Lehren zu ziehen und Standards zu formulieren. An erster Stelle steht dabei die praktische Unabhängigkeit.

Institutionelle Abhängigkeitsverhältnisse können in der Beratung wie Gift wirken – ebenso wie wissenschaftspolitisches Kalkül. Daher ist eine Besetzung außerhalb der gängigen Wissenschaftsinstitutionen nichts Falsches, sondern die Möglichkeit Wissenschaft und Praxis auf verschiedenen Ebenen zu vereinen. Ein Expertenrat darf nicht dazu dienen, dass Politik Entscheidungen rechtfertigt, sondern sollte der Abwägung und Darstellung komplexer Sachverhalte dienen. Gleichwohl sollte ein Expertenrat auch nicht dazu dienen das einzelne Institutionen oder Experten hierüber vermeintliche Partikularinteressen durchsetzen.

Zudem ist 100 Prozent Transparenz nötig. Ein Expertenrat startet mit Vorschusslorbeeren der gesammelten wissenschaftlichen Kredibilität, aber er muss sich 100-prozentig glaubwürdig machen, in dem er größtmögliche Transparenz in der eigenen Arbeit zeigt. Wer objektiv und wissenschaftlich denkt, sollte keine Scheu haben, dass alle Abwägungen, Anhörungen oder Erörterungen öffentlich sind oder werden können. Wissenschaft ist kein Rechthaben oder Ideologisieren, sondern ein Fehler- und Schaffensprozess. 

Regionale und perspektivische Vielfalt sind wichtig. Es ist zu bedenken, dass auch unter den Wissenschaftlern regionale Unterschiede, Schulen und Erkenntnissen herrschen können. Ein Überhang von Experten weniger (oft Berliner) Institutionen hemmt die nötige Vielfalt an Denk- und Lehrschulen. Um gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen, bedarf es eben genau dieser Diversität. Um die Menschen mitzunehmen, müssen wir auch die Realität Bürger abbilden.

Des Weiteren sollte Evidenz vor Eminenz stehen. Die Tendenz zu „Eminenz-basierte Beratung“ muss zur Evidenz-basierten Beratung werden. Grenzen des Wissens zeigen sich in der Diskussion und nicht in der Vorlesung. Die Betonung liegt auf Beratung, denn ein Expertenrat kann nicht für sich beanspruchen, der Weisheit letzten Schluss zu haben und darf dies auch nicht vermitteln. Den Herausforderungen unserer Zeit werden wir nur begegnen können, wenn wir die Wissenschaft nutzen, um einen respektvollen, kritischen und lebhaften Diskurs in der Gesellschaft zu führen.

Schließlich ist frühe Beratung von großer Bedeutung. Bei zukünftigen Krisen, ganz egal welcher Art, ist die Bundesregierung gut beraten bereits früh verschiedene Stimmen in einen Krisenrat zu vereinen. Gerade in der Anfangsphase einer Krise und gerade dann, wenn die Entscheidungsfindung noch nicht abgeschlossen ist, ist es wichtig verschiedene Perspektiven anzuhören. Beschlossene Maßnahmen oder Entscheidungen sollten im Sinne einer guten Fehlerkultur wissenschaftlich durch den Krisenrat evaluiert werden, damit wir auch aus solchen Situationen lernen.

Heraus aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft

Wissenschaft oder gar einzelne Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen können alleine nicht die richtigen oder falschen Entscheidungen für die Politik empfehlen. Wissenschaft kann und muss aber die Gesellschaft und die Politik mit einem ganzen Spektrum an Perspektiven und Sichtweisen ausstatten, damit im respektvollen Diskurs konsensfähige Entscheidungen verhandelt werden können. Dafür muss aber auch die Wissenschaft aus ihrem introvertierten akademischen Elfenbeinturm herauskommen und sich sichtbarer und verständlicher machen.

Die Politik ist gut beraten über eine Professionalisierung der wissenschaftlichen Politikberatung nachzudenken. Das gleiche gilt für die Wissenschaft und ihren Akteuren. Weder Kommunikation oder Gesellschafts- und Politikberatung stehen auf dem Stundenplan des werdenden Wissenschaftlers. Ein Handwerk, was man lernen kann.