Gesundheitspolitik

Ein Gesundheitssystem muss sich am Patientenwohl orientieren

 Wir haben in Deutschland eines der teuersten, aber auch ineffizientesten Gesundheitssysteme der Welt. Im vergangenen Jahr dürften bei uns fast 360 Milliarden Euro an Gesundheitsausgaben angefallen sein. Der deutsche „Gesundheitsetat“ ist damit größer als die Gesamteinnahmen im Bund mit 332 Milliarden in 2023. Insgesamt gingen im letzten Jahr 11,3 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung auf das Konto von Krankenhäusern, Arztpraxen und Apotheken. Nur die Schweizer und Amerikaner liegen noch leicht vor uns.

Doch schon seit Jahren läuft unser System nicht mehr rund. Apotheker streiken, Ärzte warnen, Pflegekräfte brechen unter der zunehmenden Belastung zusammen. Unser Gesundheitswesen ist chronisch krank. Die Therapien müssen härter sein, damit sie überhaupt noch wirken. Für die richtige Behandlung ist eigentlich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verantwortlich – doch stattdessen werden Apotheker auf Twitter abgekanzelt, Ärzte werden ignoriert und groß angekündigte Reformen entpuppen sich als „Reförmchen“. Die geplante Krankenhausreform ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber weitere und radikalere werden folgen müssen. Obwohl sich Deutschland eines der kostenintensivsten Gesundheitssysteme der Welt leistet, warten Patienten teils Monate auf Termine in den Praxen und Krankenhäusern. Statt primär Symptome zu behandeln, müssen wir das Gesundheitssystem grundlegend heilen. Überfällige, pragmatische und visionäre Änderungen sind in bestimmten Bereichen dringend notwendig.

Im Gesundheitssystem werden Diagnosen und medizinische Leistungen belohnt, jedoch nicht erfolgreiche Behandlungen oder die Verbesserung des Patientenwohls. Das Gesundheitssystem priorisiert Krankheit statt Gesundheit. Der Fehler liegt in der Struktur der Finanzierung, nicht bei Ärzten oder Anbietern. Eine Vergütung nach Gebührenordnung bedeutet, dass niemand im System für Gesamtkosten oder Versorgungsqualität verantwortlich ist. Kurz gesagt, es werden nur einzelne Schritte statt des Endergebnisses belohnt – das schadet den Patienten. Andere Länder machen das besser. Mit Verträgen zwischen Hausärzten, medizinischen Versorgungszentren und Krankenkassen kann ein kopfpauschales Zahlungssystem etabliert werden, das die gesamte Versorgung abdeckt. Das verbessert Effizienz, Qualität und Patientenzufriedenheit – weil alle Beteiligten ein Interesse daran haben, dass der Patient schnell gesund wird.

Bürokratie tötet: Mutige Reformen für eine bessere Gesundheitspolitik!

Statt primär Symptome zu behandeln, müssen wir das Gesundheitssystem grundlegend therapieren. Reformen dürfen nicht verunsichern, sondern die Beteiligten aller Seiten müssen gemeinsam mutigere Entscheidungen finden. Nicht am Schreibtisch, sondern bei uns in den Kliniken und für die Patienten! Diese Thesen sollen Impulse geben, um das Gesundheitswesen agiler und zukunftsfähig zu machen. Überfällige, pragmatische und visionäre Änderungen sind in bestimmten Bereichen dringend notwendig.

  1. Finanzierung von Gesundheit, nicht Krankheit! Im Gesundheitssystem werden Diagnosen und medizinische Leistungen belohnt, jedoch nicht erfolgreiche Behandlungen oder die Verbesserung des Patientenwohls. 
  2. Raus aus dem Krankenhaus! Bis zu 20% der stationären Behandlungen könnten ambulant erfolgen. Deutschland verfügt über eine Überversorgung an Krankenhäusern und Krankenhausbetten. 
  3. Kollaboratives Arbeiten am Fall statt Arzt-hopping! Im Arbeitsalltag sehe ich es jeden Tag: Wiederholte aufwendige Untersuchungen in der langen Kette von Ärzten (Hausarzt, Facharzt, Klinik) kosten Zeit, Geld und Ressourcen, ohne dem Behandlungsziel zu dienen. 
  4. Digitalisieren! Für eine signifikante Steigerung der Effizienz im Gesundheitswesen sind moderne Technologien und eine verstärkte Nutzung digitaler Lösungen unumgänglich. Wir dürfen nicht versuchen, versäumte Schritte vergangener Jahrzehnte einfach nachzuholen, sondern müssen einen Quantensprung in Spitzentechnologien vollziehen. 
  5. Bürokratie kostet Leben – Entbürokratisierung ist Gesundheitsschutz! Unser Gesundheitssystem ist in den letzten Jahrzehnten zu einem Bürokratiemonster geworden. Bürokratische Prozesse müssen analysiert, vereinfacht und reduziert werden. 
  6. Spitzenforschung für eine bessere Medizin -Deutschland muss in der klinisch-angewandten Forschung international an die Spitze. Dazu zählt eine grundlegende Reform der nachgeordneten Behörden wie dem RKI und PEI. Es ist absurd, dass wir als starke Wirtschaftsnation beim Pandemiemanagement auf Daten aus anderen Ländern angewiesen waren.

Kostendruck, demografischer Wandel und Fachkräftemangel erfordern eine radikale Reform des Gesundheitswesens. Wir müssen Partikularinteressen überwinden und eine pragmatische Neuausrichtung anstreben. Reformen dürfen nicht nur angekündigt, sondern müssen gemeinsam mit allen Beteiligten durchdacht werden. Es gibt keine einfachen Lösungen, aber Mut und konstruktive Zusammenarbeit sind unverzichtbar, um diese Herausforderungen zu bewältigen.

Für ambulante Behandlungszentren und moderne Technologien

Wir müssen darüber sprechen, wo Patienten versorgt werden. Jede fünfte Krankenhausbehandlung muss nicht stationär, sondern kann ambulant erfolgen. Deutschland hat zu viele Krankenhausbetten – mit der geplanten Krankenhausreform wird die Bettenzahl zwar sinken, doch das reicht nicht. Ambulante Behandlungszentren müssen deutlich gestärkt und angemessen finanziert werden. Ein Wettbewerb unter den ambulanten Anbietern verbessert die Versorgung der Patienten. Das Problem wird aber nicht durch zusätzliche Gesundheitskioske gelöst, sondern es braucht eine Strukturreform – also einen kompletten Umbau der ambulanten Versorgung.

Ärzte müssen in Zukunft viel stärker zusammenarbeiten. Im Arbeitsalltag sehe ich jeden Tag das Gegenteil: Wiederholte aufwendige Untersuchungen in der langen Kette von Ärzten (Hausarzt, Facharzt, Klinik) kosten Zeit, Geld und Ressourcen, ohne dem Behandlungsziel zu dienen. Wir brauchen einen digitalen, kollaborativen Ansatz, der über eine funktionierende digitale Patientenakte (ePA) weit hinausgeht. Die verschiedenen Player im Gesundheitssystem müssen verzahnt arbeiten – neben dem Zugriff auf gemeinsame Daten können dabei auch gemeinsame Erfolgs- oder Behandlungsprämien helfen, die ausgezahlt werden, wenn ein Patient nach bestimmten Kriterien effektiv behandelt wurde. So können Behandlungs-Dauerschleifen durchbrochen werden.  Dazu gehört auch eine deutliche Stärkung der ambulanten Pflege. Die jüngst verabschiedete Pflegereform kommt diesem Punkt derzeit nicht genügend nach.

Auch moderne Technologien sind unersetzbar, damit das Gesundheitswesen effizienter arbeiten kann. Es geht jetzt nicht nur darum, Versäumtes nachzuholen – ein Quantensprung ist nötig. Eine funktionierende, anwenderfreundliche ePA ist hierfür entscheidend. Sie muss sich im Sprechstundenalltag schnell und automatisierbar befüllen lassen. Hierfür muss man gemeinsam mit den Anbietern von Praxisverwaltungssystemen eine Lösung finden. Derzeit ist das System nicht alltagstauglich. Damit wird das wichtige Ziel, Datenauswertungen gesundheitspolitisch nutzbar zu machen, verfehlt. Aber das ist nicht alles. Telemedizinische Versorgungsangebote, digitale Gesundheitsanwendungen und Künstliche Intelligenz bei Therapieentscheidungen werden die Zukunft sein. Auch das kann nicht einfach verordnet werden, sondern braucht gezielte Förderung.

Bundesgesundheitsminister feiern sich für ihre zahlreichen Verordnungen. Doch mehr ist nicht immer besser. Das Gesundheitssystem ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Bürokratiemonster geworden. Der tägliche Papierkram nimmt wertvolle Zeit in Anspruch, die beim Patienten fehlen und die Arbeitstage teils enorm in die Länge ziehen. Unsere Gesundheitskosten zählen weltweit zu den höchsten, wobei ein Großteil auf Verwaltungskosten entfällt. Die Krankenhausreform ist da sogar eine Verschlimmbesserung: So wird mit den geplanten „Versorgungs-Leveln“ und der „Vorhaltefinanzierung” das ohnehin komplizierte System der Fallpauschalen noch komplexer, was die Krankenhausverwaltungen noch mehr beanspruchen wird. Das Gegenteil ist wichtig: Bürokratische Prozesse müssen analysiert, vereinfacht und reduziert werden.

Kostendruck, demographischer Wandel und Fachkräftemangel erfordern eine radikale Reform des Gesundheitswesens. Partikularinteressen müssen überwunden werden, Pragmatismus ist das Gebot der Stunde. Die Politik darf Reformen nicht nur ankündigen, sondern muss ihre Ideen mit allen Beteiligten durchdenken. Einfache Lösungen gibt es nicht. Dafür sind Mut und konstruktive Zusammenarbeit unverzichtbar, um die Herausforderungen zu bewältigen.